Hannah Hirschler „Ausgeschlossen: Verlust vereint“

„Ausgeschlossen: Verlust vereint“ von Hannah Hirschler wurde bei den Donnersberger Literaturtagen 2019 mit dem 2. Preis ausgezeichnet. Hier ein Auszug aus dem Text:

Ich verabschiede mich von meinen Freunden und hieve mich ins nächste Taxi. Die Party war super – super Musik, super Stimmung, super Leute. Dennoch bin ich froh, dass ich nun auf dem Heimweg bin. Ich bin zu müde, als dass ich – wie gewöhnlich – höflichkeitshalber ein Gespräch mit dem Taxifahrer beginnen könnte. Meine Augen sind schwer und ich freue mich darauf, meine Jeans mit der Pyjamahose zu tauschen.

Endlich angekommen. Ich honoriere den Taxifahrer und biege schnellen Schrittes in meine Straße ein. Sie ruht im gedämpften Straßenlaternenlicht. Auf Samt­pfoten tappe ich zu meiner Haustür und krame auf dem Weg dahin in den Tiefen meiner Tasche nach dem Schlüssel. Meine Unordentlichkeit erschwert mir die Suche enorm. Irgendwo zwischen Tempos, Labello und Geldbeutel muss er doch sein. Vor Aufregung wäre ich beinahe noch über die Treppenstufen vorm Haus gestolpert. Das hätte mir gerade noch gefehlt.

Das darf doch nicht wahr sein! Hektisch leere ich die Tasche aus und taste die Gegenstände ab. Meine Befürchtung scheint sich zu bestätigten: Ich bin ohne Haustürschlüssel zur Party gegangen. Mein Bett ist so nah und doch unerreichbar.

Jetzt muss ich meine Eltern wecken. Ich fasse mir ein Herz, bereit für das Donnerwetter meines Lebens, immerhin haben wir schon ein Uhr. Ich drücke die richtigen Tasten meines Handys. Es klingelt durch. Meine Eltern werden froh sein, dass ich überhaupt nach Hause gekommen bin.

Niemand nimmt den Hörer ab.

Ernüchterung macht sich breit. Mein Kopf meldet mir Erleichterung, doch ich bin hundemüde und spüre, dass die Nacht länger als erwartet werden kann. Plan B muss her. Ich will in mein warmes Bett, verdammt noch mal –

Ich schleiche wie ein Dieb um das Haus und beginne, Steinchen gegen das Schlafzimmerfenster meiner Eltern zu werfen. Das erste Steinchen prallt, begleitet von einem dumpfen Geräusch, vom Fenster ab. Die Festung der Schlafenden bedarf wohl zur Erstürmung stärkere Waffen. Also gehe ich wieder zurück zur Haustür. Probiere es auf die herkömmliche Weise. Ich klingle. Erst in kleinen Etappen, dann durchgängig. Meine Eltern befinden sich allem Anschein nach in einem Dornröschenschlaf.

„Kann ich dir irgendwie helfen?“ Ich schrecke auf, mein Herz hat sich ein sicheres Versteck in der Magengrube gesucht.

Vor mir steht Herr Jager aus der Nachbarschaft.

„Sie haben mir eben einen Schrecken eingejagt!“, sage ich.

„Tut mir leid, aber bei euch ging der Bewegungsmel­der andauernd an, da wollte ich einmal nachsehen ge­hen!“

Ich erzähle ihm von meinem Missgeschick und Herr Jager verspricht mir zu helfen, Herrn und Frau Dorn­röschen aus dem Land ihrer Träume zu reißen.

Doch auch sein stürmisches Klopfen stößt bei meinen Eltern nicht auf Anerkennung.

Herr Jager sagt: „Eine Übernachtungsmöglichkeit bei mir kann ich dir nicht anbieten, da deine Eltern es missverstehen könnten. Aber warte, mir kommt da eine Idee!“

Wie es weitergeht, können Sie in unserer Anthologie „Aufbruch“ nachlesen, die im November 2013 im Geest-Verlag erschienen ist unter der ISBN  978-3-86685-436-9.